Walter HöherWalter Höher1925–2015
Walter Höher1925–2015Walter Höher

Biografie

Walter Höher wurde 1925 in Schwerte geboren. Er besuchte von 1931 bis 1935 die Volksschule in Ergste und anschließend das Gymnasium in Schwerte. Von 1943 bis 1945 war er Soldat und wurde schwer verwundet.  Nach dem Abitur (1946) besuchte er die Höhere Handelsschule und studierte anschließend in Dortmund Pädagogik für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Nach ersten Anstellungen als Lehrer in Bönen und Kalthof war er von 1968 bis zu seiner Pensionierung 1986 Rektor der Hauptschule in Ergste mit Schwerpunkten in Deutsch, Musik und in der Lehrerausbildung.

Höher war im Plattdüütschen Schrieverkring Münster, im Plattdüütsche Spraokstie und in der Märkischen Heimatbewegung aktiv. 18 Jahre lang war er Geschäftsführer des Heimatvereins Ergste mit einem besonderen Schwerpunkt beim Plattdeutschen, über das er in Plattdeutschzirkeln und Vereinen Vorträge hielt.  

Walter Höher Werk
Walter Höher Werk

Spracherkundung

Höher erforschte seit Kriegsende die niederdeutsche Sprache seiner märkischen Heimat. Neben plattdeutschen Aufsätzen und Beiträgen für regionale Printmedien verfasste er Rundfunkbeiträge und niederdeutsche Liedkompositionen. Auch in seiner Tätigkeit als Lehrer und Herausgeber engagierte er sich für den Fortbestand und die Verbreitung des Plattdeutschen. Er starb 2015 in Schwerte.

„Der Autor gehört zu den namhaften plattdeutschen Gegenwartsautoren der Region und hat sich große Verdienste um Mundartforschung und Mundartpflege im Märkischen Kreis erworben.“ (Peter Bürger)

Walter Höher Werk

Bekenntnis zur kritischen Mundart

Ihr niederdeutsches Programm beschreiben die Autoren Walter Höher und Horst Ludwigsen in ihrem Buch Rüüm(e)straote: „Der plattdeutsche Nostalgiker trauert um Vergangenes, das es so in der Vergangenheit nie gegeben hat. Lebendiges Platt der Gegenwart sollte daher nicht nur jene zweifelhafte Geborgenheit beschreiben, ‚die brennende Holzscheite im Zimmer aufkommen lassen, wenn es draußen stürmt und regnet.‘ (Quickborn 4/9)“ Hinter dem Buchtitel verberge sich in Anlehnung an die Begriffe „Rüüm(e)straote maken“ die Absicht, „reine Bahn zu machen“, „aufzuräumen“. „Im übertragenen Sinne, als Metapher, kann es bedeuten ‚etwas zurechtrücken‘, ‚in Ordnung bringen‘, ‚gerade setzen‘ und ‚mit etwas abrechnen‘.“ In diesem Sinn wollten die Autoren mit ihren Beiträgen aufräumen „mit der Glorifizierung der Vergangenheit, in der alles angeblich viel besser war als heute, gleichzeitig aber auch […] vor blindem Fortschrittsglauben und Modernisierungseifer“ und vor dem „Verschweigen der jüngeren deutschen Vergangenheit“ warnen.

‚Rüüm(e)straote maken‘ hieß für beide Autoren aber auch, „die eigenen Gedanken zurechtrücken, mit sich selbst ins Reine kommen, die eigenen Vorurteile und Glaubensinhalte prüfen, die schlimmen Erlebnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit aufarbeiten, die auch nach fünfzig Jahren noch als Albträume auf uns lasten, sich im Aufschreiben davon befreien, d. h. alles in allem: sich selbst Rechenschaft abgeben über Vergangenes und Gegenwärtiges.“

Ein Hauptanliegen sei dabei der Vorstellung entgegenzuwirken, dass das Plattdeutsche eine ‚Hanswurstsprache‘ sei, die sich nur für ‚Döünekes‘ eigne. Höher wird in dieser Hinsicht zu den Vertretern einer neuen, kritischen niederdeutschen Mundart gezählt und sein Name in einem Atemzug mit dem von Georg Bühren, Norbert Johannimloh und Siegfried Kessemeier genannt.

Flucht
in’t stille Holt,
unner graute Böcken.
Suemmersunne schmuset
Topp un Twiell,
splentert Wipplechtkes
in Gold.
Biewwerblar wackelt
im sachten Wind.

Rispeln un Raspeln.
Rautbüörstken schilpet.
Liggen, Lustern,
deipe äömen;
Liäwen sugen.

Rummeln, Rumpeln
ächter’m Dann
bruset, fiäget ran.
Düsenduenner
Polterflauk,
Echospauk duowet butt düör Busch un Baum
wecket, schrecket,
sticket Lied
und Draum.

Vam Hangk
gäiht et mild.
Wind ruschet
sachte,
lenzlind
üm Dannen
un Füchen,
weiget,
koset,
schockelt
Topp un Twiell
im Spiell.

Et krischet,
schrääpet,
schriket,
schrecket
Stäin un Bäin,
schnitt in Stamm
un Bark,
auk mi in’t Mark.

auk mi
in’t Mark

Et es iähm
en Stücke Paradies,
dat propp’re Gaornhus
in de „Amsel“, midden im Hiärwestbunt
met Blaumen ringsüm,
tüschen Blar
un Rankewiärks,
sprenkelig-grein.
Dei graute Kueggel
straohlt late Wiärmde
ut mattblaoem Hiemmel,
spannt Fiämme,
Kobbenfiämme,
silwrig-fin,
düör’t rautgiälle Lauf,
knüppt se
an Halm un Spier,
schmitt se
as Schlier
üöwwer Hiege
un Busch –
Hiärweststille

Muorgen
maut hei wier
hessen un jagen
üöwwer grise Straoten,
krupen
düör Stank un Stau
längs Sprüecke, Schiller
un Kunst-Blaumen,
Ampeln

Wann’t schier
guerre Saot wäör,
wat se
op ues strügget,
wäör’t en Siägen.

Owwer Sabbeln,
Salm un Sums,
manschet met
Lechtspalkwiärks
un Musikflueddern,
hett et Regimänt
in de Glotze.

Flitterkraom
un Schnickschnack,
Düöräinkuocket
tau Lieppelbri,
wed verkofft
van apige Galperts
un Driäppschnuten

Maude- un Meinungsmiäckers
kauget vüör,
vi kauget nao.
Fluockstern un Flieggel

wed Vüörbild.
Verbriäcken
well prieckeln,
stüeckern.

Sprüeckeklöppers
un Siällendüüwels
verdreiget
Köppe un Sinne.
Alldagg wed Last,
Wiällmaut Reljaun.

Saot
Well opgaohn.

Et was doch
’ne guërre Saot!
Wat es se krätzig waorn!
Opschlagg,
Kropptüüg.
Fämmelt,
verschlampet,
vertigget
tau Kauderwelsch.
Plattdüütsch?

Dat olle Denkmaol
dei stäödige Feste
urgundwassen
jaohrhunnertelangk
taoh, fräit
giëgen Sturm, Unbillm, Verschliëtt
un Vergangk.
Ut Würden geraon
verungenäiërt, verschengeläiert
Pilers muork, Faugen müör
Letternstäiner
in dusend Brocken.
Liktäiken van ährtids
minnächtig tauspreit
versûeget
met Kauderwelsch
in Hakens
un Krickelkrackel
Graffiti
Dat olle Denkmaol
Plattdüütsch es briäckfällig

Kostbaore Fracht
gäiht int Land üöwwer Kanäöle –
bit op Plattdüütsch;
dat gäiht
üöwwer de Wupper.

Literatur

Dör Bruuk un Tiet. Texte und Lieder. Ergste 1980 [LP und MC]

Luster maol. Texte und Lieder. Ergste 1984 [LP]

Chrisdaggsklocken klingt. Plattdeutsch zur Winter- und Weihnachtszeit in Wort und Klang. Schwerte 1988  [LP und MC]; erweiterte Neuauflage als CD 2008

Miärkische Kost – mündkesmaote. Altena 1992

Luster mol – „hör mal zu“. Walter Höher singt plattdeutsche Lieder. Schwerte-Ergste 1993

Georg Bühren: Rottendorf-Preis 1994 an Walter Höher, in: Jahrbuch der Wibbelt-Gesellschaft 10, 1994, S. 100–104

Wörterbuch südwestfälischer Mundarten. Altena 1997 [mit Horst Ludwigsen]

Siegfried Kessemeier (Hg.): Mut zur eigenen Sprache. Ennigerloh 1997, S. 55f. [mit Werkproben]

Rüüm(e)straote. Gereimtes und Ungereimtes in westfälisch-märkischem Platt. Altena 1999 [mit Horst Ludwigsen]

Peter Bürger: Im reypen Koren. Ein Nachschlagewerk zu Mundartautoren, Sprachzeugnissen und plattdeutschen Unternehmungen im Sauerland und in angrenzenden Gebieten. Eslohe 2010

Ders. (Hg.): daunlots. internetbeiträge des christine-koch-mundartarchivs am maschinen- und heimatmuseum eslohe. Nr. 33 und 34: Walter Höher/Horst Ludwigsen Rüümestraote. Gereimtes und Ungereimtes in westfälisch-märkischem Platt

Vollständige Biobibliografie siehe:
www.lexikon-westfaelischer-autorinnen-und-autoren.de/autoren/hoeher-walter/