Biografie
Peter Kuhweide wurde 1940 als Sohn eines Bankangestellten in Wuppertal geboren. Er wuchs in Gennebreck und Sprockhövel-Haßlinghausen auf. An den Besuch des Humanistischen Gymnasiums in Wuppertal-Elberfeld schloss sich von 1960 bis 1966 das Diplom-Studium als Holzwirt in Hamburg an. Von 1967 bis 1974 war er PR- und Werbefachmann in der Informationsstelle der Forst- und Holzwirtschaft in Düsseldorf. Seit 1974 lebt er als freier Autor und Fachjournalist in Grasberg/Bremen, seit 1999 in Nordleda/Cuxhaven, seit 2007 wieder in Grasberg. Kuhweide ist mit der Schriftstellerin und Künstlerin Martina Werner verheiratet.
Eine neue Stimme
Kuhweide erlernte die plattdeutsche Sprache erst spät. Seine ersten niederdeutschen Texte erschienen 1975 in der Zeitschrift Westfalenspiegel, deren Literaturteil damals von Norbert Johannimloh betreut wurde. Auch in späteren Jahrgängen des Magazins ist er mit Gedichten vertreten. Noch vor Veröffentlichung seines ersten Gedichtbands 100 Suorten Greun. Gedichte im westfälischen Dialekt (1976) wurde er 1975 mit einem Stipendium zum Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis ausgezeichnet. Der Gedichtband stieß auf große Resonanz. Parallel entstanden ab 1976 mehrere niederdeutsche Hörspiele für Radio Bremen, den NDR und den WDR, die in niederdeutschen Publikationsorganen, vor allem im Quickborn, ausführlich besprochen wurden. 1978 wurde Kuhweide mit dem Klaus-Groth-Preis ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt er ein NRW-Arbeitsstipendium.
In seiner Danksagung anlässlich der Entgegennahme des Klaus-Groth-Preises hob Kuhweide hervor, dass es ihm nicht um sprachpflegerische Aspekte ging: „In meinem speziellen Fall kommt hinzu, dass der Lokal-Dialekt des Westfälischen, den ich spreche und schreibe, schon jetzt so gut wie verschwunden ist. Ihn in meiner engeren Heimat wieder zu verbreiten, hieße einen ähnlichen Versuch unternehmen, wie er mit dem Gälisch in Irland bisher nicht gelungen ist. Bei Lesungen würden die Leute – meine Leute – eine ins Museum gehörende Kuriosität goutieren, nicht sich in ihrer eigenen Sprache angesprochen fühlen. Außerdem habe ich selbst ja mein Platt nicht aus dem Elternhaus mitbekommen, sondern aus eigenem Entschluß gelernt […] Wenn wir, die Autoren, Niederdeutsche Lyrik schreiben, dann können wir nicht mehr erwarten, als dass wir dieser Sprache […] literarische Ausdrucksformen und Aussagen offen und zur Verfügung halten, nachdem sie eine Reihe anderer Funktionen bereits abgeben mußte. Das klingt sicher akademisch und zudem nicht berauschend, mehr aber haben wir nicht zu bieten. Verschweigen will ich bei all dem nicht meine durchaus egoistischen Motive. Ich schreibe Platt zur Selbstversicherung – um einen Ausdruck Siegfried Kessemeiers zu zitieren – und zu meinem eigenen Vergnügen.“
Das Nachwort zu 100 Suorten Greun verfasste mit Norbert Johannimloh ein prominenter Vertreter der ‚neuen westfälischen Mundart‘. Er charakterisierte Kuhweides Verse mit den Worten: „Kein Zweifel, in den Gedichten von Peter Kuhweide wird ein neuer Ton in der niederdeutschen Lyrik angeschlagen, wobei es allerdings gar nicht so leicht ist, die Neuartigkeit und Eigenständigkeit dieser Texte zu belegen. Man kann weder auf revolutionäre Inhalte noch auf spektakuläre Formexperimente verweisen, und dennoch nehmen in diesen Texten Innovationen Gestalt an, die überraschen, erstaunen, verblüffen, kurzum: die den Erwartungshorizont des Lesers oder Hörers sprengen und so in der Erlebens- und Erkennens-Sphäre zu einer Bereicherung führen. Dies aber ist ein untrügliches Merkmal literarischer Qualität.“
Weiter heißt es: „Die überraschende Wendung, die verblüffende Perspektive, die unerwartete Fortsetzung, das sind charakteristische Merkmale der Gedichte von Peter Kuhweide. Mit diesen Mitteln stellt er fortwährend gängige Positionen in Frage […] Welches Thema auch angeschlagen wird, ob von Einsamkeit oder Zweisamkeit, von ökonomischen Mißlichkeiten oder günstigen Umständen, von Glück oder Unglück die Rede ist – in einem Punkt bleibt Peter Kuhweide sich stets treu: Er registriert alles ohne erkennbare Emotionen und stellt alles nüchtern und handgreiflich dar, ohne private Gefühle hervorzukehren.“
Und: „Der Autor Peter Kuhweide selbst ist fast nirgends unmittelbar zu fassen. Man kann darüber streiten, ob das eine Stärke oder Schwäche dieser Gedichte ist. Eine mitreißende Wirkung ist bei so distanzierter Darstellung natürlich nicht zu erwarten. Aber nach den vielen tränenseligen Herzensergüssen, die wir seit Klaus Groths Quickborn in der niederdeutschen Lyrik über uns haben ergehen lassen müssen, sollten wir freudig einen Autor begrüßen, der frischen Wind in die dumpfen Emotionszonen des plattdeutschen Gemütsmenschen bringt, und der – gelegentlich mit sarkastischer Schärfe, häufiger mit kühler Ironie und meistens mit gelassenem Humor – die Welt betrachtet und seine Befunde in deutlicher Bildsprache zur Diskussion stellt.“
1979 erschien unter der Autorenbezeichnung Peter Kuhweide/Carl-Gustav Hilgenstock (Pseudonym Kuhweides) sein zweites Buch: Übersetzungen in eine tote Sprache: Westfälisch-hochdeutsches Elementarbuch. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein Lehrbuch, sondern um „eine äußerst gelungene und viel zu wenig beachtete Sammlung von Gedichten und Sprachspielen: geistreich, originell und eigenwillig“ (Fischer).
Gewidmet ist der Band Isidor von Sevilla, der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts in seinen Etymologiae oder Origines eine enzyklopädische Zusammenfassung des zeitgenössischen Weltwissens schuf und dieses damit für die Nachwelt überlieferte. Fischer: „Die Parallele ist nicht zu übersehen. Eine tote Sprache wird aufgezeichnet, erkundet, neu zusammengesetzt und ausprobiert.“
1981 äußerte Kuhweide in einem Interview, dass es für ihn „zuende [sei] mit Plattdeutsch“. Auf einer Schriftstellertagung in Bad Bevensen hatte er schon im Jahr zuvor erklärt, dass ihm mit zunehmender Schreibpraxis das Niederdeutsche nicht ausreiche, um das, was er ausdrücken wolle, auch „tatsächlich auszudrücken“. Er war zwar auch weiterhin in Anthologien vertreten, es folgten jedoch keine weiteren Buchprojekte mehr. Fischer fasst zusammen: „Peter Kuhweide ist als ‚früh verstummter Autor‘ zutreffend charakterisiert. In einem sechs Jahre währenden Lebensabschnitt hat er die westfälische Mundartliteratur um einige neue Töne bereichert. Er ist zur richtigen Zeit entdeckt und gefördert worden; zu einer Zeit, als Mundartliteratur gerade einen großen Boom erlebte. Als die Mundart-Welle nicht mehr so gut trug und er außerdem mit seinen innovativen Experimenten im Kreis der Mundart- und Heimatfreunde auf Unverständnis stieß, konzentrierte er sich – bis auf weiteres – auf seinen Brotberuf als PR-Mann und Texter.“