Karl WagenfeldKarl Wagenfeld1869–1939
Karl Wagenfeld1869–1939Karl Wagenfeld

Biografie

Karl Wagenfeld wurde 1869 als Sohn eines Eisenbahnbeamten in Lüdinghausen geboren. Sein Vater wurde bald nach der Geburt des Sohnes nach Drensteinfurt versetzt. Das Plattdeutsche wurde dort zu seiner Primärsprache. Nach dem Besuch der Volksschule in Drensteinfurt (1875–1883) entschied er sich, Volksschullehrer zu werden. Seit Herbst 1886 besuchte er das Warendorfer Lehrerseminar, das er 1889 mit dem ersten Staatsexamen abschloss. Seine Lehrertätigkeit begann in einer Bauerschaftschule im Dorf Göttingen bei Liesborn im damaligen Kreis Beckum. 1891 wurde er nach Bockholt im Kreis Recklinghausen und 1896 nach Recklinghausen versetzt. Seit 1899 unterrichtete er an der Martinischule in Münster. In dieser Zeit begann er, sich intensiv mit der Heimatpflege zu beschäftigen. 1915 war Wagenfeld einer der Begründer des Westfälischen Heimatbunds (WHB). Um den Vereinsverpflichtungen und seinen volkskundlichen Forschungen nachgehen zu können, wurde er später vom Kultusminister beurlaubt. Von 1921 bis 1926 übernahm Wagenfeld die Geschäftsführung des WHB. Im Anschluss daran war er zunächst dessen stellvertretender und von 1933 bis 1934 dessen Vorsitzender. Parallel hatte er die Redaktion des volkskundlichen Teils der Heimatblätter der Roten Erde inne. 1925 wurde er in den einstweiligen und 1932 in den endgültigen Ruhestand versetzt. In den letzten zehn Jahren seines Lebens war er von Krankheit geschwächt. Er starb 1939 in Münster.

Karl Wagenfeld

Fragwürdige Heimatideologie

Wagenfeld bestimmte maßgeblich die kulturpolitisch-ideologische Ausrichtung des WHB. Mit Blick auf dessen Gründung hatte er bereits 1913 erklärt, dass die „Heimatfrage“ für ihn eine „Stammesfrage“ sei. Es bestehe die Gefahr, dass „das Slaventum und die Fremdlinge des Industriebezirks“ in „einer neuen Völkerwanderung […] uns überrennen, unsere ganze völkische Art zugrunde richten“. Daher müsse „jedem Volksgenossen das Heimat- und Stammesgefühl hinein gehämmert“ werden. Dies sei eine zentrale Aufgabe der westfälischen Heimatbewegung. Der westfälische Autor und Publizist Rainer Schepper charakterisierte 1990 Wagenfelds Menschen- und Weltbild auf Basis wagenfeldscher Selbstaussagen mit den Worten: „Neger, Kaffern und Hottentotten sind Halbtiere, Menschen in ‚Krüppel- und Idiotenanstalten‘, in Fürsorgeheimen und Strafanstalten sind körperlich und geistig Minderwertige. Es ist jenes Menschenbild, das der Nationalsozialismus zur Errichtung seiner Ideologie vom Herrenmenschen und Untermenschen, zum Erlass der Nürnberger Gesetze vom 16. September 1935, zur Euthanasie geistig und psychisch kranker Menschen, zum Kampf gegen alles ‚Artfremde‘, zum Krieg gegen ‚Frankreichs Haß‘ und ‚Polens Gier‘ benötigte und benutzte.“
Wagenfeld galt als „Triebkraft der westfälischen Heimatbewegung“. In dieser Hinsicht war er Repräsentant fremdenfeindlicher und rassistischer Anschauungen, „die mit der nationalsozialistischen Ideologie übereinstimmten“. 1933 trat er in die NSDAP ein. Er bekundete: „Das neue Reich brachte meiner Forderung die Erfüllung.“ Als Vorsitzender des WHB gestaltete Wagenfeld den Westfalentag am 16./17. September 1933 zur NS-Propagandaschau. Er bedankte sich in seiner Rede beim „Führer“ und gelobte „westfälische Treue, ihm und seinem großen Werke ein frommes ‚Guod help!‘ ein hoffnungsreiches ‚Glückauf‘, ein mannhaftes ‚Sieg Heil!‘“ Er war in mehrfacher Hinsicht ein „Wegbereiter und Propagandist des Nationalsozialismus“ (Karl Ditt).

Karl Wagenfeld Werke

Während des Ersten Weltkriegs betätigte sich Wagenfeld, der nie selbst im Fronteinsatz war, umfangreich als Kriegspropagandist. Dieser Teil seiner Tätigkeit wurde in späteren Werkausgaben ausgeklammert, sodass diese lange Zeit unbekannt blieb. Eine ausführliche Darstellung seiner Kriegsdichtung legte 2012 Peter Bürger vor (Plattdeutsche Kriegsdichtung aus Westfalen 1914–1918. Karl Prümer – Hermann Wette – Karl Wagenfeld – Augustin Wibbelt). Bürger stellt dabei heraus, dass das Thema ‚Krieg‘ zentral für Wagenfeld sei. Er stehe im Mittelpunkt seiner Werke Krieg – Gedichte in münsterländischer Mundart (1914), Weltbrand – Neue Folge Kriegsgedichte in münsterländischer Mundart (1915), An’n Herd: Plattdeutsche Feldbriefe (6 Hefte, 1915–1917), der Versdichtung De Antichrist (1916), Jans Baunenkamps Höllenfahrt (1917) sowie Usse Vader – Vater unser (1918). Zur Erhellung ideologischer Hintergründe seien außerdem die plattdeutschen Dichtungen Daud un Düwel (1911/1912) und Luzifer (1920) sowie der Beitrag Krieg und Stammesart (1919) aufschlussreich. Die genannten Werke setzen Wagenfelds Ideologie in unerbittlicher Schärfe literarisch um (Verklärung Deutschlands und des deutschen Soldatentums, Verbreitung nationaler Hasspropaganda, Entmenschlichung und Dämonisierung der Kriegsgegner; Bereitschaft zur totalen Kriegsführung etc.). Dabei erklärte Wagenfeld das Niederdeutsche und speziell die westfälische ‚Stammesart‘ zur besonderen Erscheinungsform des Deutschtums.

Karl Wagenfeld Werke

Wagenfelds Stücke gehörten seit 1925 zum festen Hörspiel-Repertoire. Nach 1945 wurden 20 Hörspiele vom NWDR, WDR, dem NDR und Radio Bremen realisiert. Der unkritische Blick auf den Autor findet sich auch in seiner literaturgeschichtlichen Behandlung. So schreibt Josef Bergenthal noch 1953 in seiner weitverbreiteten Untersuchung Westfälische Dichter der Gegenwart: „Karl Wagenfeld hat die niederdeutsche Heimatdichtung in eine ganz neue, in die metaphysische Region geführt. Es gibt keinen Dichter, der so wesentlich der Heimat angehört und doch so sehr über das Heimatliche sich erhebt, keinen, der dem Reden und Denken des einfachen Volkes und zugleich den tiefsten Fragen der Menschheit so nahe ist wie er.“ Vor allem im Münster’schen Verlag Aschendorff erschienen Texte Wagenfelds in Neuauflage im Rahmen einer Werkausgabe. Die Edition knüpfte dabei an die Popularität Wagenfelds an, der mit n’ Öhm un annere Vertellsels in mönsterlännsk Platt (1905), ne’ Göpps vull Geschichten in mönsterlännsk Platt (1909), Un buten singt de Nachtigall… un annere Beller un Geschichten up mönsterlännsk Platt (1911) und weiteren Werken publikumswirksam literarisch debütiert hatte.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Wagenfeld fand erst in den letzten Jahren statt und führte zur Umbenennung zahlreicher Wagenfeld-Straßen.

Karl Wagenfeld

Vüörspiell

Guod, de Här, mok Erd un Hiemmel.
Hoffart mok de Höll, den Düwel.
Un de Düwel mok den Daud.

Wu de Düwel den Daud mok

„Vull Arbeit und Sweet un Möh en Liäben,
Dat is jue Loos – dann müett‘t ji stiärben“,
Sagg Guod, äs ut den Guoren he jog
Adam un Eva, we de Düwel bedrog.

Dao hät de Düwel int Füstken sick lacht,
Hät ropen vull Spit: „Härguod, dine Macht,
De Gong in de Brüeck!
Du mökst dinen Kerl von Lehm en Liw,
Ut sine Rippen, dao mökst Du en Wiw
Un gäffst iähr beide ’ne Seel’. –
De Seel, de jog ick di ut de Hänn,
Met’n Liw dao mak ick nu auk en Enn.
Du mökst dat Glück – ick mok de Naut–
Un de Düwel nimp Lehm und kniät un drückt,
Bis dat so’n Fatsun von en Menskem glückt:
Mit Kopp und Liw, met Arms un Been;
Män in de Buorst platz Hiärt – en Steen.
Un in de Höll iähr gleinigste End
Den Mann von Lehm to Steen he brennt,
Bis dat von buten un von binnen
Kin Pläcksken, wat nao föllt, to finnen.
Denn wann Geföhl nao här de Daud,
Dann kreg de Düwel met em Naut –
He bröch nix in. –

Dann mok he’n Daud lebennig.
Vör Naut und Pin so dauw un blind,
Ne Kast, de Daud, dat Düwelskind,
Segg huohl to sinen Häern:

„Segg Saotan, wat sall‘t wäern?“
„Wocht“, segg de Düwel, „wocht so lang,
Bis ick von düsse Isenstang
Die smied’ ne Seiß!“

Un de Blaosebalg sißkt, un de Flammen springt,
Un de Funken sprützt, un de Hamer klingt.
Un de Seiß wärd hatt unner Hamer un Gloot,
Dat se frättdat Liäben, dat se süpp dat Bloot,
Un de Düwel spräck drüöwer den Siängen:

„Sni,Seiße,sni,
Allt Volk hört mi!
Ick siäng di, Seiß, mit alle Flök,
We schallt utalle Höllenhök.
Du mökst dat Liäben – ick mak den Daud!“
Ich siäng di, Seiß, mit Gall un Gift,
Dat vör die nümms ant Liäben blifft!
Sni, Seiße, sni met Macht,
Sni bi Dage, sni bi Nacht;
Sni mi Vader, Moder, Kind,
Sni se, wann se rip nog sind,
För de Höll
Op de Stell!
Sni, Seiße, sni,
Allt Volk hört mi!
Ich segg äs Guod nich Amen –
Sni in drei Düwels Namen!“

Dann gaff he den Daud sine Seiß in de Hand
Un wees em de Welt, allt Water,allt Land:
„Dao, Daud, doh dine Arbeit.“

De Sunn versunk. Et kümp de Nacht,
un Swaam un Damp
leggt week un sacht
de köhle Hand op Wiesk un Kamp,
op Bloom und Gräs.

Nu rest’t sik un de möde Welt
von Sweet un Gloot
Still draimt dat Feld
von riepe Saot un Üowerfloot –
Dao klingt des Seiß.

Met Pink un Pank en hellen Klank
läöpp kaolt un hatt
dat Feld entlank –
Met stiwen Tratt düörn Blomenpatt
geit still de Daud.

Om Träönen steit, wat riept un bleiht:
wann kümp de Dagg,
de Sunne gleiht,
ut vulle Kraft met enen Slagg
ritt ruh de Daud. –
So’n Daut is hatt.

Wat ik gähn här?

Wat ik gähn här? En linnen Bühl,
en Armlank breet, en Armlank deip.
Un dann en ganzen rieken Mann,
we mi äs bi sien Geldschapp reip.

Wat is dann deih?

Ich neihm soviell vont gläse Gold,
wat drin män so op Haupen lägg,
dat’k kaupen könn en Lappen Land
wietaf, sietaf von’n breden Weg.

Wo ik denn käöff?

Wo schinnt de Sunn in Bloot un Gloot
wied üöwer gleinigraude Heid,
wo an’ne sülwerblanke Bieck
en Busk met Nachtigallen steit.

Un wat gäff’t dann?

Dann bau’t en Hüsken klein und minn
met swatte Pöst un witte Wänn,
un tröck met Wief un Kind darin,
höll warm dat Hiärt und flink de Hänn.

Un wann’t dann stärw?
Dann help mir Guod! Un graawt mien Graff
uich tüsken kaolle Liekensteen;
giewt mi met Wief un Kind sietaf
en stillen Platz för uns alleen.

Literatur

Wagenfeld-Werkausgabe. Münster 1954–1992

n’ Öhm un annere Vertellsels in mönsterlännsk Platt. Essen 1905

ne’ Göpps vull Geschichten in mönsterlännsk Platt. Münster 1909

Un buten singt de Nachtigall… un annere Beller un Geschichten up mönsterlännsk Platt. Essen 1911

Volksmund. Plattdeutsche Sprichwörter und Redensarten des Münsterlandes in ihrer Anwendung. Essen 1911

Dat Gewitter. Drama in einem Aufzug. Münster 1912

Dat Gaap-Pulver. Komödie. Münster 1913

Krieg. Gedichte in münsterländischer Mundart. Bocholt 1914

Weltbrand. Neue Folge Kriegsgedichte in münsterländischer Mundart. Bocholt 1915

An’n Herd. Plattdeutsche Feldbriefe. 7 Hefte. Warendorf 1915ff.

De Antichrist. Versdichtung. Warendorf 1916 (4 Auflagen)

Jans Baunenkamps Höllenfahrt. Plattdeutsche Erzählung. Warendorf 1916

Hatt giegen Hatt. Plattdeutsches Drama. Bauerndrama in drei Akten. Hamburg 1917; 3. Aufl. Münster 1952

Usse Vader. Plattdeutsche Dichtung. Bocholt 1918

Hille Feiken. Ein Wiedertäufer-Drama. Münster 1919

Luzifer. Plattdeutsche dramatische Dichtung. Warendorf 1920

Altwestfälische Bauernhochzeit. Volkskundliche Aufführung. Warendorf 1921

Tänze und Lieder zur altwestfälischen Bauernhochzeit. Warendorf 1922

Die Vuegelfrauen-Versammlung. Warendorf 1925

Das Bilderbuch vom Münsterland. Münster 1939

Josef Bergenthal: Westfälische Dichter der Gegenwart. Deutung und Auslese. Münster 1953

Rainer Schepper: Karl Wagenfeld – ein Wegbereiter des Nationalsozialismus. Spuren eines deutschen Heimatdichters, in: Quickborn. Zeitschrift für plattdeutsche Dichtung und Sprache 80, 1990, S. 104–120

Karl Ditt: Karl Wagenfeld 1869–1939. Dichter, Heimatfunktionär, Nationalsozialist?, in: Matthias Frese (Hg.): Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Münster 2012, S. 179–232

Karl-Wagenfeld, in: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Wagenfeld (die oben angeführten Zitate sind, sofern nicht anders angegeben, dem genannten Online-Lexikon entnommen, das seine Quellen detailliert nachweist)

Vollständige Biobibliografie siehe:
www.lexikon-westfaelischer-autorinnen-und-autoren.de/autoren/wagenfeld-karl/