Biografie
Karl Prümer wurde 1846 als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Dortmund geboren. Er brach das Gymnasium ab, um 1865 eine Lehre in einer Elberfelder Buchhandlung anzutreten. Anschließend ging er auf Wanderschaft und machte Bekanntschaft mit Autoren, Verlegern und Forschern wie Klaus Groth, Peter Rosegger und Theodor Mommsen. 1872 arbeitete er für die Weltausstellung in Wien. Anschließend kehrte er nach Dortmund zurück. Nach zwischenzeitlichen Wohnsitzen in München (1906) und Bochum (1910) blieb er dauerhaft in seiner Heimatstadt ansässig. Er starb dort 1933 hochgeachtet und geehrt. Die Stadt Dortmund stiftete ihm einen Ehrensold, ein Ehrengrab und benannte (wie auch die Stadt Bochum) eine Straße nach ihm.
Der Heimatdichter
Prümer war fast 50 Jahre lang literarisch aktiv und verfasste unzählige, vornehmlich lokalbezogene Bücher. Seine erste und wohl erfolgreichste Veröffentlichung wurde für sein weiteres Schaffen wegweisend: Dä Westfölsche Ulenspeigel. Lustige Historien Juör Unlustige (1880). Darin erzählt Prümer in der Figur des Eulenspiegel Episoden aus seinem Elternhaus und seiner Kindheit, Schul- und Jugendzeit. „Den geographischen Hintergrund gibt die Stadt Dortmund ab, so daß der Leser einiges von den Bräuchen und Zuständen aus der Lokalgeschichte der Jahrhundertmitte erfährt.“ (Dirk Hallenberger) Das Buch erlebte, wie auch andere Erzählbände des Autors, mehrere Auflagen (5. Aufl. 1923). „Er ist Ende des 19. Jahrhunderts und auch im frühen 20. Jahrhundert der bedeutsamste Vertreter einer neuniederdeutschen Mundartliteratur im Bereich der alten Grafschaft Mark.“ (Peter Bürger) „Mit seinem umfangreichen niederdeutschen Werk ist er von gesamtwestfälischer Bedeutung, speziell aber auch für das märkische Sauerland.“ (Ders.)
Auch Prümers weitere Texte spielen – oft ebenfalls autobiographisch gefärbt – in seiner engeren oder westfälischen Heimat. Man könne ihn deshalb „ohne Bedenken einen ‚echten‘ Heimatschriftsteller nennen. Denn auch die Themen seiner Sachbücher kreisen fast ausschließlich um die Heimat Westfalen, zumeist niederdeutsch-volkskundlich verankert“ (Hallenberger). Häufig sind sie im westfälischen Dialekt verfasst, was dem Autor „einige Bekanntheit verschafft, wohl auch deshalb, weil Prümers plattdeutsche Titel in eine Blütezeit der Dialektliteratur fielen“ (ebd.). „Die Stärke Prümers liegt in der authentischen Personen- und Milieucharakteristik, die er – von einem hoffnungsvollen Menschenbild geleitet – warmherzig und humorvoll zu gestalten wußte.“ (Ebd.) Bei seiner Schelmenliteratur arbeitete er unter anderem mit den Münster’schen Originalen Hermann Landois und Eli Marcus zusammen. Über Ersteren verfasste er gemeinsam mit Eli Marcus und Emil Rade Professor Landois. Lebensbild eines westfälischen Gelehrten-Originals. Von den drei Getreuen (1907).
Über Prümers plattdeutsche Titel (De Westfölsche Husfrönd 1891–92 u. a.) heißt es in einer früheren Einschätzung: „In seinen Büchern […] greift Prümer tief hinein in den unerschöpflichen Vorrat des Volkes an komischen Käuzen und überlieferten Geschichten. Der Witz ist indeß ein wenig trocken und bei manchen Situationen hat man das Gefühl, als ob sie zu alltäglich seien, um noch komisch zu wirken. Im allgemeinen kann man aber behaupten, daß sie Charakter von Land und Leuten in Westfalen recht getreu widerspiegeln.” (Lenz/Koepper)
Prümers Hauptverdienst wird heute in seiner volkskundlichen und kulturgeschichtlichen Arbeit gesehen. Er sammelte westfälische Schwänke, Anekdoten, Sprichwörter, Reime, Volks- und Kinderlieder und veröffentlichte sie in Werken wie Westfälische Volksweisheiten (1881) oder Grüß dich Gott, Westfalenland! (1890). Prümer war Mitherausgeber der Blätter für rheinisch-westfälische Volkskunde und trat auch als Dortmund-Chronist in Erscheinung. Neben diesem breiten Hauptwerk schrieb er zudem sozialkritische Texte wie Die Ausbeutung der Arbeiter und die Ursachen ihrer Verarmung … (1886) oder Zur Geschichte des Gewerbevereins 1840–1890 (1890).
Prümer engagierte sich in zahlreichen Dortmunder Vereinen und literarischen Vereinigungen. Gemeinsam mit Wilhelm Uhlmann-Bixterheide, Carl Hülter und Ludwig Schröder setze er sich „tätig für die heimatliche Kultur-, Mundart- und Literaturpflege ein. Mit ihnen, die durchweg aus Dortmund und der Grafschaft Mark stammen oder dort leben, tritt nun auch der industrielle Süden ins ‚Westfalenbewußtsein‘ ein“ (Renate von Heydebrand).
Peter Bürger hat sich näher mit der Kriegsdichtung Prümers beschäftigt und zählt ihn zu den „plattdeutschen Kriegern“. Ein Hauptwerk Prümers ist in dieser Hinsicht sein plattdeutscher Schelmenroman Pipenbrink im Schützengrawen un te Hus (1916). In ihm zieht der unverwüstlich-heitere westfälische Lebenskünstler Pipenbrink euphorisch in den Ersten Weltkrieg. Es werden Ressentiments gegen die „kriegstreiberischen“ Mächte, vor allem die Engländer, geschürt. Bürger bezeichnet den humoristischen Roman als „wirklich gut gemachte […] Propaganda“, der „flotte Stil“ könne jedoch nicht über den „extremen Nationalismus, eine Entmenschlichung der Gegner (Ratten, Ungeziefer [Untüg] etc.), Haß- und Rachephantasien und das Plädoyer für eine totale Kriegsführung“ hinwegtäuschen.