Heinrich SchürmannHeinrich Schürmann1940–2008
Heinrich Schürmann1940–2008Heinrich Schürmann

Biografie

Heinrich Schürmann wurde 1940 in Clarholz (Kreis Gütersloh) als Sohn eines Malermeisters geboren. Nach achtjährigem Besuch der Volksschule begann er 1954 eine Lehre als Anstreicher. Seine künstlerische Begabung trat bereits damals zutage. Über den zweiten Bildungsweg und nach Erlangung der Fachhochschulreife begann er das Studium der Angewandten Malerei an der Werkkunstschule in Bielefeld. 1963 ermöglichte ihm die Begabtensonderprüfung das Studium an einer Pädagogischen Hochschule in Münster (1963–1966).

Heinrich Schürmann

Rehabilitierung des Niederdeutschen

Schürmann zufolge hatte wohl keine andere Sprache einen derartigen Niedergang erlebt, sei derart entwertet worden wie das Plattdeutsche. Es stehe noch immer in dem Ruf, „eine Sprache der ‚armen Leute‘ zu sein“. Für ihn war das Niederdeutsche historisches Sprachgut und fest in der westfälischen Landschaft verankert. Von daher blieb es für ihn eine adäquate Sprache, um seine Hauptthemen Landschaft und Umwelt literarisch abzubilden.

Im literarischen Kontext benutzte Schürmann das Niederdeutsche gleichwohl – ähnlich wie seine Vorbilder Georg Bühren und Siegfried Kessemeier – als Kunstsprache. Der Verzicht auf heimattümelnde Attitüde brachte ihn dabei in Konflikt mit seinem Amt als Kreisheimatpfleger, das er sechs Jahre innehatte. Er gab es auf, weil er es, eigenem Bekunden nach, nicht mehr fertig brachte, das „Klischee einer nostalgischen westfälischen Heimatmelodie“ weiter zu bedienen.

Einflüsse

Während seiner Zeit an der Pädagogischen Hochschule Münster kam Schürmann in einem Seminar Norbert Johannimlohs mit dem Niederdeutschen als literarische Schriftsprache in Kontakt. Bis dahin kannte der versierte Plattdeutsch-Sprecher diese Sprache nur in ihrer gesprochenen Form. Ein zweiter für seine spätere künstlerische Arbeit wichtiger Impuls waren Vorlesungen bei dem westfälischen Autor Winfried Pielow über moderne Lyrik.

Seit 1992 verfolgte Schürmann mit erhöhter Intensität seine literarischen Interessen. 1993 kam es zum Abdruck einer ersten Auswahl seiner Visuellen Poesie in der Zeitschrift Westfalenspiegel. Es folgten mehrere Lesungen sowie Veröffentlichungen im Jahrbuch Westfalen (1995), in der Anthologie Neue niederdeutsche Lyrik aus Westfalen (1995) sowie ein Abdruck von bildkünstlerischen und literarischen Arbeiten in der Jahresgabe der Klaus-Groth-Gesellschaft (1995) sowie in Quickborn. Zeitschrift für plattdeutsche Sprache und Literatur (1998).

Ausgangspunkt bildende Kunst

Heinrich Schürmann fand seine Vorbilder zunächst in der Malerei (vor allem bei Picasso), wodurch seine Vorliebe für das Abstrakte deutlich wird. Immer schon interessierten ihn die Grenzgänger zwischen den Künsten (auch zur Fotografie und Musik hin). Meister der Collagen waren für ihn die Dadaisten. Auf der Seite des Wortes wurde er vom manchmal absurden Sprachwitz Ernst Jandls beeinflusst.

Heinrich Schürmann Werk

Der Computer als Hilfsmittel

Schürmann hatte auf der Werkkunstschule in Bielefeld noch ganz traditionell Bleisatz, Linoldruck, Kohlezeichnung und Aquarellmalerei gelernt. Dann schwenkte er jedoch zum Computer um, weil dieser ihm erweiterte gestalterische Möglichkeiten eröffnete. Auf diesem Wege entdeckte er die Visuelle Poesie als primäres Arbeitsfeld. Berührungsängste mit der abstrakten Welt der Technik gab es für ihn nicht. Die Arbeit am Computer hatte er sich autodidaktisch angeeignet und benutzte diesen nicht wie ein Informatiker, sondern eher spielerisch wie ein Kind. Eine Herangehensweise, die auch für seine assoziative Motivsuche gilt.

Es entstand eine neuartige Kombination von visueller Poesie und niederdeutscher Lyrik. Ausgangspunkt einer neuen Arbeit konnte ein Foto, eine Reproduktion oder auch ein eigenes Aquarell sein. Diese Vorlage wurde per Scanner in ein computerlesbares Format umgewandelt und dann mit einem Grafik- oder Schriftprogramm weiterbearbeitet. Endgültig zum Abschluss kam das Ergebnis nie. Der Prozesscharakter war integraler Bestandteil der künstlerischen Arbeit Schürmanns und führte zu einem fortwährenden „Dialog mit sich selbst“. Seine ‚Experimente‘ intensivierte Schürmann nach seiner Pensionierung 2002.

Heinrich Schürmann Werk

2004 erschien sein Band Ick. Postum gelangte die CD Ick. Jazz und Lyrik Niederdeutsch zur Veröffentlichung. Schürmann machte sein Werk auch in Grafikmappen zugänglich, die von ihm selbst vertrieben wurden. Daneben konnte man sich einzelne Motive von seiner Homepage herunterladen. Gegen einen geringen Kostenbeitrag stellte er auch eine CD mit seinen Arbeiten zur Verfügung. Als erster westfälischer Mundartautor nutzte Schürmann das Internet als Präsentationsplattform, auch hinsichtlich der Möglichkeit grafischer Animationen.

Literatur

Walter Gödden: Pop Art op Platt. Visuelle Poesie à la Heinrich Schürmann, in: Westfalenspiegel 1998, H. 1, S. 45–47

Alexandra Jacob: „Immer wieder neue Türen öffnen …“. Zu Biographie und Werk des niederdeutschen Autors Heinrich Schürmann, in: Jahrbuch der Wibbelt-Gesellschaft 17, 2001, S. 109–116

ICK. Gedichte und Bilder. Köln 2004

Georg Bühren: Rottendorf-Preis 2004 für Heinrich Schürmann, in: Jahrbuch der Wibbelt-Gesellschaft 20, 2004, S. 90–101

23 Fragen an den Rottendorf-Preisträger Heinrich Schürmann [Autorengespräch: Walter Gödden], in: Heinrich Schürmann: ICK. Gedichte und Bilder. Köln 2004, S. 126–131

Jürgen Hein [Rez.]: Heinrich Schürmann: ICK. Gedichte und Bilder, in: Jahrbuch der Wibbelt-Gesellschaft 21, 2005, S. 111–113

Bolko Bullerdiek [Rez.]: Heinrich Schürmann: ICK. Gedichte und Bilder, in: Quickborn 2005, H. 1, S. 44

Lesebuch Andreas Rottendorf. Zusammengestellt von Heinrich Schürmann. Bielefeld 2006

Siegfried Kessemeier: „Aolls hät sinne Tëit …“ – Zum Tode Heinrich Schürmanns, in: Jahrbuch der Wibbelt-Gesellschaft 24, 2008, S. 55–57

Bolko Bullerdiek: Nachruf auf Heinrich Schürmann, in: Quickborn 98, 2008, H. 1, S. 35

Vollständige Biobibliografie siehe:
www.lexikon-westfaelischer-autorinnen-und-autoren.de/autoren/schuermann-heinrich/