Biografie
Georg Bühren wurde 1955 in Mettingen geboren. Nach dem Lehramtsstudium in Kunst und Germanistik in Münster arbeitete er ab 1978 als freier Autor für den Hörfunk des WDR, NDR und von Radio Bremen. Daneben realisierte er ab 1983 Dokumentarfilme für den SWF, NDR und WDR. Ab 1987 war Bühren festangestellter Dramaturg der WDR-Hörspielabteilung Köln. In dieser Eigenschaft leitete er die Westfälische Hörspielredaktion. Außerdem behandelte er regionale Themen aus Geschichte und Literatur fürs Fernsehen. Unter Bührens Regie entstanden weit über einhundert regionale Hörspiele, die mit Preisen der Arbeitsgemeinschaft „Regionales Hörspiel“ (ARD, ORF und SRG) ausgezeichnet wurden. Auch für sein literarisches Schaffen wurde Bühren vielfach ausgezeichnet (unter anderem mit dem Fritz-Reuter- und dem Rottendorf-Preis).
Ehrenamtliches Engagement
Bühren setzt sich auf vielfältige Art und Weise für das Niederdeutsche ein, unter anderem als Verfasser von Beiträgen in Zeitungen und Zeitschriften, als Initiator und Organisator des zehn Jahre bestehenden Niederdeutschen Theatertreffens Westfalen-Lippe, als Beiratsmitglied des Instituts für Niederdeutsche Sprache in Bremen sowie als Leiter der Fachstelle Niederdeutsche Sprachpflege und des Rottendorf-Ausschusses beim Westfälischen Heimatbund. Großen Anklang fand 1991 sein Hörspielwettbewerb „Geschichten von Land und Leuten“. Als Dokumentarist erwarb er sich besondere Verdienste durch die Zusammenstellung einer CD-Edition der wichtigsten Niederdeutschen Hörspiele des WDR der Jahre 1950 bis 2005. Seit 2009 schreibt Bühren darüber hinaus Lieder auf Plattdeutsch für seine Band „pattu“ (plattdeutsch für „auf jeden Fall“), die mit Folk- und Bluessongs im Dialekt des nördlichen Münsterlandes auftritt. Aktuell gilt sein Hauptinteresse seinen im Westmünsterland spielenden Kriminalromanen. Er lebt in Münster.
Schreibmotivation
Auf die Frage, was ihn zum Schreiben motiviere, hat Georg Bühren einmal geantwortet: „Ich schreibe einfach. Ich könnte keinen tieferen Beweggrund nennen.“ Ausgangspunkt war sein Studium an der Münster’schen Kunstakademie. Es ist „halt so, dass man all das sammelt, was einem in den Kopf kommt und irgendwo ablegt. Das ist eine Art Grundbedürfnis, das ich habe, dass ich diese Ideen irgendwo festhalten will und dann daraus Gedichte oder Geschichten spinne oder im Extremfall auch größere Romane konstruiere.“ Die Spurensicherung erfolgt in kleinen Notizbüchern, „dort werden die Wortsplitter, Dialogfetzen, Schlagzeilen vorläufig eingesperrt, um später ergänzt, verworfen, gebrochen, versilbert oder gegen den Strich gebürstet zu werden.“
Vorbilder
Auf seine Vorbilder angesprochen erläutert er: „Nachdem ich mein erstes Hörspiel auf Niederdeutsch geschrieben hatte, habe ich mich näher mit dieser Sprache beschäftigt und fand gerade bei [Siegfried] Kessemeier und [Norbert] Johannimloh Versuche, das Niederdeutsche anders zu nutzen als nur umgangssprachlich, sondern eben literarisch. Und das war in den 1960er Jahren eben schon passiert, auch in anderen deutschsprachigen Gegenden, dass Autoren den Dialekt für ihre Lyrik genutzt hatten – man denke an Jandl und andere –, und als ich in den 1970ern studiert hatte, lag das schon vor. Damit habe ich mich beschäftigt. Das hat mich sehr beeinflusst.“
Literarische Vorzüge des Niederdeutschen
Bühren betrachtet das Niederdeutsche nicht als folkloristische Reminiszenz, sondern als weitgehend unverbrauchtes lyrisches Wortmaterial. In dieser Hinsicht ist es für ihn ein künstlerisches Mittel, das ihm erweiterte laut- und klangliche Möglichkeiten bietet: „Das niederdeutsche Gedicht […] triumphiert über das hochdeutsche, weil es über die schöneren Lautkombinationen verfügt, zumindest über die ungewöhnlicheren, und weil sich seine Inhalte und seine ästhetischen Formen an den erschwerten Bedingungen einer direkteren Sprache beweisen müssen. Denn direkter und unverstellter als das Hochdeutsche ist das Niederdeutsche allemal. Mich persönlich zwingt das Niederdeutsche zur Klarheit, daher die reduzierten Formen.“
Unprätentiöse Verse
Bühren schreibt nicht mit Blick auf ein größeres Publikum, sondern für sich selbst, zur Selbstvergewisserung. „[…] [I]ch verfolge keine wirklichen Absichten mit dem, was ich schreibe.“ Er ist sich dabei bewusst, mit der Fokussierung auf das Niederdeutsche einen Nischen-Status einzunehmen.
Ähnlich zurückhaltend ist er bei der Verwendung seines Sprachmaterials, das bei ihm einen durchgehend unprätentiösen, unempathischen Ton aufweist. „Wenn jemand früher sagte, er hat es auf Platt geschrieben, in der uralten Bedeutung, hieß das also, er hat es für alle verständlich geschrieben. Das ist etwas, das ich immer in den Vordergrund stelle, wenn es um Platt geht […] Man kann in dieser Sprache sehr viele Dinge machen, aber man muss sie präzise, ehrlich und direkt machen. Die Sprache zwingt einen dazu.“ Pathos und ‚hohe Töne‘ sind dem Autor suspekt.
Keine kulturpolitischen Motive
Aus solchem Blickwinkel lehnt es der Autor ab, in das allgegenwärtige Lamento über den Verfall der niederdeutschen Sprache einzustimmen. Initiativen, das Plattdeutsche gleichsam unter Denkmalschutz zu stellen, hält er für unangemessen. „Ich weiß, ich bin da stur und werde es bleiben, aber sobald ich zwischen niederdeutschen Zeilen und Tönen politische oder ideologische Absichten erkenne, ziehe ich mich diskret zurück.“
Eine solche skeptische Grundhaltung kennzeichnet auch Bührens literarische Texte. Sie sind geprägt vom Wissen über die fortschreitende Zerstörung der Welt und die Einsicht in die Marginalität des eigenen literarischen Tuns.
Heimat anders gedacht
Bühren benennt als Hauptthemen seiner Lyrik „Geschichte, Sprache, Leben“. Als roter Faden ist in seinem Werk ein Interesse an dem Thema ‚Heimat‘ auszumachen. Es ist bei Georg Bühren eng mit der Frage nach Herkunft, persönlicher Prägung, dem eigenen Weg zur Kunst und auch mit Neugierde verknüpft: „[I]ch traf Luis Trenker in München, diskutierte mit Dieter Hildebrand und Gerhard Polt über den Heimatbegriff, nachts um zwei in einer bayerischen Schankwirtschaft in Ingolstadt, suchte nach der deutschen Seele im Elsaß und unterhielt mich mit den medialen Leitfiguren deutscher Provinzen, Willy Millowitsch, Jürgen von Manger und Heidi Kabel […] So, dachte ich, müsse man Heimatfunk machen.“
Historischer Roman und Bühnenstücke
Im Lichte einer solchen, erweiterten Aufarbeitung des Themas ‚Heimat‘ ist Bührens umfangreicher Roman Das Zirkular (2009) zu sehen. Er spielt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und widmet sich dem Schicksal des politisch geächteten, aus Lienen im Kreis Steinfurt gebürtigen Autors und Journalisten Hermann Kriege (1820–1850).
Aus dem Theaterbereich sei exemplarisch Bührens preisgekröntes Science-Fiction-Theaterstück Uöwergang. Ein Stück Zukunft in acht Bildern erwähnt, das 1997 von der Niederdeutschen Bühne Münster uraufgeführt wurde. „Endlich mal kein Bauerntheater“, lautete die einhellige Meinung in der Presse.
Krimis als soziale Fallstudien
Aktuell hat sich Bühren bevorzugt dem Kriminalroman zugewandt. Zunächst erschien 2020 Aber das Moor schweigt nie, gefolgt von Mondriaans letzter Baum (2021) und Flamingo Gold (2023). Handlungsort ist der fiktive Ort Aarloh an der westmünsterländisch-holländischen Grenze. Themen sind zum Beispiel Drogen- und Bandenkriminalität, die unaufgearbeitete NS-Zeit, Kunstfälschung, Entführung, Autoschieberei und etliche weitere Verstöße, die bis in diesen hinterletzten Winkel vorgedrungen sind. Im Zentrum stehen Fallstudien, die zeigen, wie Menschen zu dem werden, der sie sind. Sittengemälde also, die an Droste-Hülshoffs Judenbuche denken lassen.